Kaum gab es im deutschen Fernsehen eine Frauenstimme, die so markant und einprägsam war wie die von Franziska Pigulla. Am 23. Februar 2019 ist sie mit nur 54 Jahren verstorben. Ihre Stimmfarbe war ein echtes Unikum, Millionen von Fernsehzuschauern kennen Sie. Lange stand sie für den Nachrichtensender N-TV selbst vor der Kamera, im Wissensmagazin Galileo war sie als Off-Stimme in zahlreichen Reportagen zu hören. Vielen bekannten Hollywoodschauspielerinnen hat sie ihre Stimme geliehen: Sharon Stone („Begegnungen"), Demi Moore („Ein unmoralisches Angebot"), Tea Leoni („Deep Impact"). Aber wohl am berühmtesten war Franziska Pigulla in der Synchronrolle der FBI-Agentin Dana Scully, gespielt von Gillian Anderson.
Während die Rolle des Fox Mulder, gespielt von David Duchovny, von mittlerweile drei verschiedenen Synchronsprechern interpretiert wurde (in unserem Blogbeitrag zu Benjamin Völz gibt’s da mehr Infos), blieb die seiner FBI-Kollegin Dana Scully von Anfang an dieselbe. Synchronregisseur Peter Baumgartner hatte in den frühen 90er Jahren während der Besetzungsphase den richtigen Riecher und engagierte die junge aufstrebende Sprecherin Franziska Pigulla für diese Rolle. Und was für ein Traumpaar war das: Gillian Anderson und ihre deutsche Synchronstimme Franziska Pigulla! Neben sage und schreibe 10 Serienstaffeln und 2 Kinofilmen sprach Franziska Pigulla die Golden Globe und Emmy-Gewinnerin Gillian Anderson auch in zahlreichen weiteren Filmen wie „Der letzte König von Schottland“ (2006) oder auch in der sehr spannenden Serie "Hannibal" (2013-2015) als Psychaterin des jungen Serienkillers Hannibal Lecter. Oft ist es in der Synchronbranche ja so: der Synchronsprecher versucht, der Originalstimme des Schauspielers so nah wie möglich zu kommen. In einem Interview soll Gillian Anderson aber einmal gesagt haben, dass sie ihre deutsche Synchronstimme so toll fände, dass sie selbst versuche, ihr möglichst nahe zu kommen. Wenn das mal kein Kompliment ist!
Franziska Pigulla selbst sagte in einem Interview mit hörnews.de folgendes dazu:
„Die Geschichte stimmt tatsächlich, und sie macht mich auch außerordentlich stolz […] Allerdings hat dieser "Imitationsversuch"wohl nicht so recht funktioniert, […] Zu Recht, wie ich finde, denn mir persönlich gefällt ihre Stimme sehr gut.“
Also das schreit ja nun geradezu nach einem Vergleich! Hören wir also einmal hinein in die Welt des markanten Frauenstimmengespanns Pigulla-Anderson. Hier eine Szene aus dem zweiten Akte X-Kinofilm von 2008, „Jenseits der Wahrheit“. Agentin Scully versucht Mulder (hier gesprochen von Johannes Berenz) aus seiner Isolation und zum FBI zurück zu holen. Dieser scheint aber so gar kein Interesse zu haben. Doch seht selbst.
Und hier die Originalstimme von Gillian Anderson. Sieht man mal davon ab, dass man als deutscher Zuschauer natürlich sehr an Franziska Pigulla gewöhnt ist, kann aber auch das Original mit einer markanten und sinnlichen Stimme aufwarten. Man beachte im folgenden Videobeispiel auch hier das wiederkehrende Element der neurotischen Angewohnheit Mulders (gespielt von David Duchovny), Bleistiftraketen in die Zimmerdecke seines Büros zu schießen.
Im besagten Hörnews.de-Interview hatte Franziska Pigulla einmal verraten, dass sie seit ihrer Jugend ein Riesenfan der Groschenromanreihe „Geisterjäger John Sinclair“ war. Da ging für sie natürlich ein Traum in Erfüllung, als sie gefragt wurde, das „Bondgirl“ der Serie zu sprechen, die langjährige Affäre von John Sinclair: Jane Collins. Gemeinsam mit dem umtriebigen britischen Geisteraustreiber jagt sie gruselige Monster, Höllenhunde und blutrünstige Vampire. Franziska Pigullas markante und kernige weibliche Stimme ist da genau die richtige Wahl gewesen. Und zudem ist die Reihe nicht nur auflagen- sondern auch entsprechend geschichtenstark, sodass es reichlich Futter für Sinclair-Fans von ihr gab. Seit 1978 schreibt Jason Dark alle 3-4 Tage einen dieser Groschenromane, zudem monatlich mindestens ein Paperback-Roman. Zum Erscheinungstermin einer besonders aufwendigen Hörspielproduktion aus der Reihe mit dem Namen „Der Pfähler“ war Franziska Pigulla zusammen mit dem Autor Jason Dark (ja, den gibt es wirklich! Und er heißt bürgerlich Helmut Rellergerd) in der Latenight-Sendung TV-Total von Stefan Raab zu sehen. Die aufwendig produzierten Hörspiele der Sinclair-Reihe können sich wirklich hören lassen, Pigulla sagte selbst dazu:
„Ich bin von den Audio-Ergebnissen schwer beeindruckt!!! Ich glaube, das Geheimnis liegt darin, daß alle Beteiligten so viel Spaß an der Arbeit hatten - und das hört man eben auch!!!“
2015 schaltete der mittlerweile 70-jährige Autor Jason Dark eine Gang runter und entschied, zukünftig pro Monat „nur“ noch 2 bis 3 Romane der Heftreihe zu verfassen. Den Rest seines reichhaltigen Erbes überließ er einem mehrköpfigen Autorenteam. John Sinclair und auch Jane Collins leben also weiter! Das waren natürlich gute Nachrichten für alle Hörspiel-Fans von Pigullas markanter und einzigartiger Stimme. Und auch nach über 1800 Romanen erleben die beiden Geisterjäger in Schriftform noch viele weitere Abenteuer. Jedoch wurde im September 2018 bekannt, dass zukünftig Katy Karrenbauer die erkrankte Franziska Pigulla als Jane Collins vertreten werde.
Hier ist der genannte Ausschnitt aus der TV-Totalsendung mit Franziska Pigulla und Sinclair-Autor Jason Dark, mit einem anschließenden Snippet aus „Der Pfähler“:
Was macht eine gute Off-Stimme aus? An Franziskas Pigullas Arbeit für Sendungen wie Galileo oder zahlreiche Dokumentationen für das öffentlich-rechtliche Fernsehen konnte man es gut nachprüfen: Eine Off-Stimme sollte zugleich angenehm und unaufdringlich sein, aber auch über die nötige Autorität verfügen, um das Interesse des Zuschauers während des Verlaufs der Sendung dauerhaft zu fesseln. All diese Punkte erfüllte Franziska Pigulla, doch dabei blieb es nicht: Ihre Stimme war zudem einfach unverwechselbar. So gut wie jeder Fernsehzuschauer in Deutschland erkannte sie oder hatte sie schon mindestens einmal gehört. Das kann im Bereich Off-Stimme eigentlich nur Norbert Langer von sich sagen, der ebenfalls oft in Dokumentationen und Reportagesendungen zu hören ist (Norbert Langer ist die Stimme von Magnum-Darsteller Tom Selleck und sprach jahrelang die Sendungen wolkenlos und voxtours). Lange Zeit war Franziska Pigulla in den 90er Jahren auch als Moderatorin für den Nachrichtensender N-TV zu sehen, konzentrierte sich aber anschließend auf Synchron- und Hörspielarbeit. In der Vorabend-Wissenssendung Galileo (ProSieben) hat Franziska Pigulla für Millionen von Zuschauern die Welt erklärt. Es ist natürlich nicht die Aufgabe des Sprechers, jeden Inhalt einer Dokumentation oder Sendung zu hinterfragen. Es ist immerhin ein Job, bzw. eine Dienstleistung. Auch Franziska Pigulla sah dies ähnlich, wie sie im Interview mit Hörnews verlauten ließ. Eine gewisse Distanz zu den Inhalten einer Sendung ist immer wichtig, um den Text unbelastet zu interpretieren. Natürlich gibt es Themenfelder, die mal mehr und mal weniger kontrovers diskutiert werden, vor allem im Internet. Hören wir einmal zu, wie Franziska Pigulla ein eher kontroverses Themenfeld besprach. Dass sie ihre Arbeit gut machte, steht außer Frage, dennoch gibt folgender Ausschnitt aus einer Dokumentation über den Anschlag auf das World Trade Center natürlich viel Stoff für Verschwörungstheorien:
Franziska Pigulla wurde für ihre Arbeit im Hörbuch- und Hörspielbereich mehrfach ausgezeichnet. Für den von ihr eingesprochenen Roman Ken Follets, „Eisfieber“, erhielt sie einen goldenen Hörbuch-Award. Sie sprach auch viele weitere Romane Follets. Darüber hinaus ist Franziska Pigullas Stimme vielen Gamern ein Begriff. Sie sprach durchsetzungsstarke, weibliche Charaktere wie die Vampirin in „Sacred“ oder die Figur der Reporterin Nico in der Adventurespiel-Reihe „Baphomets Fluch“. Unten sehen wir zum Abschluss die Sprecherin Franziska Pigulla bei der Entgegennahme des begehrten Hörspielpreises Ohrkanus 2010, bei der Sie eine äußerst charmante Dankesrede gibt. Man merkt sofort: sie war immer mit Lust und Leidenschaft in ihrem Beruf dabei. Genau das wussten ihre Fans so zu schätzen und auch wir hofften, dass Franziska Pigulla uns und der Branche noch lange erhalten bleibt. 2018 erschien dann eine elfte Staffel von Akte X. Zwar konnte diese, wie auch schon die 10. Staffel, nicht mehr an die Qualität der ursprünglichen Serie heranreichen, aber Franziska Pigulla als Gillian Anderson als Dana Scully war allein ein Grund zur Freude. Leider ist Franziska Pigulla am 23. Februar 2019 im Alter von nur 54 Jahren nach Krankheit verstorben.
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