Nachdem wir uns in den letzten Beiträgen mit Hardwarelösungen der Firmen APT und MAYAH beschäftigt haben schauen wir uns nun ein paar „rein“ software-basierte Lösungen an. Den Anfang macht eine Browseranwendung, die sich seit dem offiziellen Release am 30 Juni 2014 schon sehr gut in den Sprachaufnahmen über Internet etabliert hat. Die Rede ist von SessionLinkPRO und stammt aus der Feder des Dipl.-Ing. (FH) Tim Proegler. Er hatte sich zur Aufgabe gemacht eine Software zu programmieren, um professionelle Audioproduktionen in Echtzeit via Internet zu fahren. SessionLinkPRO bietet diese Möglichkeit kostengünstig, ohne zusätzliche Hardware und funktioniert dabei erstaunlich einfach.
Man nehme eine Breitband-Internetverbindung, einen Rechner mit Anschlussmöglichkeiten für Mikrofon und Kopfhörer und installiertem Google Chrome Browser. Mit jenem geht man auf sessionlinkpro.com und richtet sich einen Account ein. Zum Anchecken steht sogar ein 30-Tage-Trail-Account zur Verfügung, den man danach zu folgende Preiskonditionen weiterführen kann:
1 Monat: 20€
6 Monate: 110€
12 Monate: 200€
Warum nimmt man nicht einfach kostenlose Lösungen wie Skype?
Jeder Nutzer herkömmlicher VoIP-Lösungen wird folgende Problematik kennen. Man telefoniert mit einer Person und plötzlich, je nach Tageszeit, Internetauslastung oder Karma, ist die Person auf der anderen Seite der Leitung nicht mehr oder nur unverständlich zu hören. Wodurch kommt das? Um diesen Effekt nachzuvollziehen muss man betrachten, wie der Datentransfer im Internet erfolgt. Im vorherigen Blogeintrag wurden bereits TCP- und UDP-Verbindungen erläutert. Allgemein findet der Datentransfer im Internet immer über Datenpakete statt und TCP handelt den Transfer so, dass alle Datenpakete in der gleichen Reihenfolge und vollzählig am Ende der Leitung ankommen. Genau da haben wir jedoch ein Problem denn was passiert, wenn Pakete verloren gehen? Sie werden neu angefordert und das geht zu Lasten der Internetleitung und kostet Zeit. Zeit die man in Echtzeitübertragungen aber so knapp wie möglich halten will. Also verwendet man stattdessen lieber eine Übertragungsart – UDP – der es vollkommen egal ist, ob da mal bestimmte Datenpakete verloren gehen. Das Ergebnis ist eine schnelle Übertragung mit großen Datenmengen bei der es dann aber auch zu schwankender Sprachqualität, Knacksern, bis hinzu komplett fehlenden Sprachpassagen kommen kann. Für professionelle Produktionsabläufe in der Medienbranche sind diese Effekte jedoch nicht zumutbar.
Was macht SessionLinkPRO besser?
SessionLinkPRO verwendet, laut Hersteller, für einen stabilen Produktionsablauf zwei wesentliche Elemente. Die Datenübertragung erfolgt über WebRTC und die Audiokonvertierung über den Codec OPUS.
Um zu verstehen warum dieses System so viel besser funktioniert schauen wir uns das kurz genauer an. WebRTC ist ein offener Standard auf Basis von HTML5 und JavaScript. Dieser bietet Möglichkeiten an, die Übertragung von großen Daten in Echtzeit so akkurat wie möglich zu gestalten. Dabei ist es möglich eine Direktübertragungen zwischen zwei Rechnern herzustellen, ohne die Datenpakete über verschiedenste Server umzuleiten. Um die Datenmenge dieser Direktübertragungen so gering wie möglich zu halten wird das gesendete Audiomaterial konvertiert. Hierzu hatte man bei APT und MAYAH diverse Codecs zur Verfügung. Bei SessionLinkPRO braucht man sich als Anwender darum keine Sorgen machen. Der Audiocodec OPUS ist fester Bestandteil dieser Anwendungen, welcher das aufgenommene Audiomaterial in Echtzeit komprimiert und herunter rechnet. Dieser Codec verkleinert effektiv die Audiosignale von der Datenmenge, aber der Großteil des Klangs bleibt erhalten. Ähnlich wie man es vom Audiocodec MP3 kennt, nur mit weniger klangliche Kompromisse beim Sound eingehen zu müssen. Denn gerade bei niedrigen Bitraten, was von Vorteil bei schlechten Internetverbindungen ist, bietet OPUS trotzdem ein breites klangliches Spektrum – aber dazu später mehr.
Erklärung der Bedienung von SessionLinkPRO
Kommen wir erstmal zur Bedienung dieser Software und werfen einen Blick auf die Benutzeroberfläche. Sobald man sich auf der Website von SessionLinkPRO mit seinem Account eingeloggt hat präsentiert sich die Website mit einer gut strukturierten Oberfläche. Alle wichtigen Parameter zur Audioübertragung sind übersichtlich in einem Fenster angeordnet. Nur wenn man jemanden in die Session einlädt, oder während der Produktion mit diesem per Textnachricht chattet, dann öffnet sich jeweils ein weiteres Fenster. Beim ersten Mal einloggen muss man Google Chrome, oben unter der Adressleiste, den Zugriff auf sein Interface bestätigen. Danach wählt man jenes im Bereich “Audio Input Device“ aus und sagt ob Mono oder Stereo und in welcher “Audio Bitrate“ produziert werden soll.
Aus unseren Erfahrungen ist dabei zu beachten, dass die Verwendung einer einzigen Soundkarte sowohl für die Aufnahme als auch der Übertragung zu Problemen führen kann, was sich in fortlaufenden Aussetzern geäußert hatte. Es ist durchaus ratsam, ein zweites Audiogerät für die Übertragung mit SessionLinkPRO zu verwenden, während das Andere die Aufnahme sowie die Verarbeitung von Audiosignalen übernimmt.
Möchte man nun eine Aufnahmesession mit einem Nutzer starten, so kann man diesem einen Link zusenden, indem man unten links auf den Button “Create Session Link“ klickt. Dort stellt man alle nötigen Parameter ein und gibt die E-Mail-Adresse des Empfängers ein. Das Tolle daran ist, dass der Empfänger der Mail sich nicht bei SessionLinkPRO registrieren muss. Dieser öffnet einfach den Link in Google Chrome und loggt sich ein. Damit erscheint der Empfänger beim Sender im Fenster rechts mittig unter “Available Connections“. Diesen zieht man nun per Drag & Drop nach oben rechts in das “Connection“-Feld, drückt “Connect“ und schon kann es losgehen. Während man “on air“ ist hat man über das Web-Interface ferner die Möglichkeit, seinen Sendekanal stumm zu schalten und Textnachrichten zu versenden. Außerdem kann man bspw. über einen 2. Audiokanal Timecode-Signale senden und somit videogestützte Produktionen durchführen. In Zukunft wird aber auch das erleichtert, da sich SessionLinkPRO Video in den Startlöchern, also in der Beta-Phase befindet.
Fazit
Um alle Verbindungen und Geräte/Software vergleichen zu können, haben wir immer eine 128 kBit/s Verbindung (mono) aufgebaut. Wie oben schon beschrieben würden bei SessionLinkPRO der Opus Codec verwendet. Wir haben dafür eine Audiodatei aus mehreren Sprecherinnen und Sprechern erstellt, die dann jeweils über die bestehende Verbindung übertragen wurde. Vorsicht! Zum Pegeln und nachträglichem Anpassen der verschiedenen Aufnahmen geht ein -0,1 dBfs lauter 1kHz Testton vorweg, gefolgt von einem leiseren weißem Rauschen. Das von uns gesendete Referenzfile, sowie alle weiteren Testsoundfiles können auf Anfrage als *.wav zur Verfügung gestellt werden. Hier der Download für das Originalsoundfile.
Der OPUS-Codec ist gerade der neue Star in der großen Codecwelt. Die Betonung liegt auf “neu“, denn die bisher getesteten Codecs haben doch schon ein paar Kilometer auf der Uhr, wenn man die zurückgelegten Leitungskilometer für Audioübertragungen zusammen zählt. Und MAYAH hätte diesen Codec nicht auch in ihr Angebot genommen, wenn er nichts taugen würde. Aus diesem Grund sind wir mit hohen Erwartungen in unseren Tests gestartet. Im direkten AB-Vergleich mit dem Originalfile bedarf es schon eines genauen Hinhörens, um bei OPUS feine Unterschiede auszumachen. Diese liegen hauptsächlich darin, dass das Originalsignal geringfügig mehr Höhen aufweist und die Tiefen weniger mulmig wirken. Rein von der Transientenabbildung kam das Gefühl, dass das Signal ein Müh nach hinten rutscht. Diese sind im Vergleich zum Original, aber auch zu den beiden Hardware-Lösungen nicht so deutlich vorhanden. Ob das jetzt am Codec oder der Programmierung liegt, müssen wir in diesem Fall schuldig bleiben.
Nichtsdestotrotz liefert SessionLinkPRO ein hervorragendes Signal, was sich nicht zu verstecken braucht. Während der Sessions kann es trotzallem zu gelegentlichen Knackser kommen. Die Qualität der Verbindung lag dennoch jenseits derer von normalen VoIP-Produkten und kann sich definitiv mit Hardwarelösungen im IP- und ISDN Segment messen. Einziger Wehrmutstropfen, MAYAH und APT bieten unterschiedliche Methoden an, um bei schlechten Internetverbindungen trotzdem verwertbare Aufnahmen zu erzielen. SessionLinkPRO beinhaltet solche Optimierungen auch, gibt aber dem Anwender nur die Möglichkeit, die Verbindung durch Reduktion der Bitrate zu beeinflussen.
Für alle diejenigen, die nicht so viel Geld in die Hand nehmen wollen, sich nicht mit viel Technik und Kabelage rumplagen wollen und kein Problem damit haben einen Take nochmal zu wiederholen, gibt Tim Proegler mit SessionLinkPRO ein einfach gehaltenes und effektives Werkzeug in die Hand um professionelle Audioaufnahme über VoIP zu produzieren.
Wie die direkte Konkurrenz von SessionLinkPRO, Source Connect Now und ipDTL, arbeitet und welche Stärken und Schwächen beide Lösungen haben, behandeln wir im nächsten Beitrag dieses Blogs.
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